3sat. Kulturzeit, 01. Februar 2007

Nach den "Rauchzeichen" das Beste zum Thema Rauchverbot!


Das Verbot ist da, um verletzt zu werden
Ein Kommentar des Soziologen Wolfgang Sofsky zur Politik des Verbots


Der Anlass ist banal, doch er bestätigt den Trend. In den rauchfreien Zonen breitet sich der Giftnebel staatlicher Fürsorge aus. Überall sind wir von Verboten umgeben: auf Straßen und Plätzen, beim Arbeiten und Einkaufen, beim Essen und Trinken, Reden und Lachen. Verfemte Filme, Karikaturen und Computerspiele stehen auf dem Index. Demnächst wird man dem Untertan die Vorliebe für Alkohol, Zucker und Fett austreiben. Niemand soll sich mehr der Wolllust oder Völlerei hingeben. Sie stehen längst bereit: die Toleranzprüfer und Sprachpolizisten, die Sittenapostel, Diätmeister und Gedankenwächter.


Erlaubt ist nur, was Pflicht ist
Verbote sind wie Befehle. Sie fordern prompten Gehorsam. Es geht nicht um Sicherheit oder Volksgesundheit, sondern um Macht und Freiheitsentzug. Mitnichten sollen die Menschen vor einander geschützt werden. Die Verbotspolitik erfasst längst auch Bereiche, in denen ein Schaden entweder Privatsache oder höchstens Ansichtssache ist. Der totale Rechtsstaat will die Gesellschaft erziehen und steuern. Erlaubt ist nur, was Pflicht ist. Wo kein Gesetz, droht da nicht die Ausschweifung, das Laster, die Sünde? Der Staat als Hüter der Sittlichkeit - das ist ein Vollbeschäftigungsprogramm für Heerscharen von Alarmrufern, Denunzianten und Anklägern.

Die Obrigkeit bekämpft Lebensrisiken mit Angst und Strafen. Doch das Verbot verhilft dem Übel erst zu seinem Recht. Es schafft den Tatbestand, den es zu verhindern vorgibt. Wer einer Unsitte Aufmerksamkeit verschaffen will, der muss sie untersagen. Das Verbot ist da, um verletzt zu werden. Kein Verbot, das nicht überschritten werden könnte. Die Menschen werden auch weiterhin dem Schnaps und dem Glücksspiel frönen, ihrer Fettsucht und der Zigarette. Die Torheit der Legislative liegt in dem Glauben, sie könne mit Verboten die bösen Geister und Gelüste aus der Welt schaffen. Aber Zwang hat noch niemanden gebessert. Verbote sind ebenso hilflos wie Appelle an höhere Werte. Was einer taugt, sagt ihm nicht das Verbot, sondern die Tugend. Tugenden jedoch hat man sich abgewöhnt, als man damit begann, alle Verantwortung dem Staat zu übertragen und Laster mit törichten Verboten zu bekämpfen.

Wolfgang Sofsky für Kulturzeit

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