Deutschlandradio Kultur, 30. März 2007


Hörbuchkritik:
Rauchzeichen - Literarische Fundstücke für Raucher



Anmoderation
"Das Rauchen abgewöhnen? Nichts leichter als das ﷓ ich habe es schon tausend Mal getan."
Das sagte einst der Schriftsteller und leidenschaftliche Raucher Mark Twain. Damit spricht er Millionen Rauchern aus der Seele - denn fast jeder hat schon mal versucht aufzuhören. Dabei muss man das gar nicht - zumindest nicht ganz, behauptet mit einem Schuß Selbstironie jedenfalls Christa Jekoff. In ihrem Hörbuch "Rauchzeichen" hat sie Szenen aus Literatur und Film zusammengetragen, bei denen das Rauchen eine zentrale Rolle spielt. Auch ihre persönlichen Erfahrungen mit der Nikotinsucht verschweigt sie dem Hörer dabei nicht. Daß sie dabei auf jegliche Gesundheitspropaganda contra Nikotinsucht verzichtet, meint sie dem aufgeklärten Hörer durchaus mal zumuten zu können.
Anja Herr stellt die CD für uns vor.

aus Hörbuch / Track 2:
Um meine Erziehung von einer Sekunde auf die andere über Bord zu werfen, bedurfte es lediglich eines coolen Typen, der plötzlich aufgetaucht war. Mit einer Frisur wie die der Beatles, schwarzem Cordanzug und einem Motorrad trug er so etwas wie Lifestyle in unser Provinzgymnasium und war von Stund an der Schwarm aller Mädchen und das Vorbild aller Jungen. Und natürlich rauchte er. Die coolsten Typen rauchen immer. (...) Ich jedenfalls war die Auserwählte, der unser neuer Held eine Zigarette anbot, atemberaubend lässig, und ich nahm sie natürlich ebenso lässig.

erinnert sich Christa Jekoff. So zieht sie ihre Zuhörer gleich am Anfang in den Bann. Denn jeder Raucher wird sich an dieser Stelle ebenfalls gern an seine erste Zigarette erinnern. Geschickt leitet Jekoff, die Herausgeberin des Hörbuchs "Rauchzeichen", über zu berühmten Protagonisten aus der Literatur, die dem coolen Raucher auf dem Schulhof ziemlich ähnlich sind:

aus Hörbuch / Track 2:
Der Mechanismus, der erklärt, warum er bei uns einschlug wie eine Granate, ist im Prinzip derselbe, den Marc Twain der Wirkung seines Huckleberry Finns zu Grunde legt.
Huckleberry, Raucher und Mütterschreck, wird deshalb verehrt und bewundert, weil er keine Verbote respektiert.

Mechthild Großmann liest das Hörbuch mit ihrer wohlklingend tiefen Stimme, die durchaus einer leidenschaftlichen Raucherin gehören könnte. So folgt man als Hörer gerne Christa Jekoffs Streifzügen durch die Literatur. Und entdeckt mit ihr erstaunlich viele Charaktere, die ohne ihre Pfeife oder Zigarette gar nicht denkbar wären. Bestes Beispiel: Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes. Aber auch Thomas Manns Hans Castorp aus dem Zauberberg, der in einem Gespräch mit seinem Vetter Joachim gesteht:

aus Hörbuch / Track 9 Hans Castorp:
Ich verstehe es nicht, wie jemand nicht rauchen kann. Er bringt sich doch sozusagen um des Lebens bestes Teil und jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen. Wenn ich aufwache, so freue ich mich, dass ich tagsüber werde rauchen dürfen, und wenn ich esse, so freue ich mich wieder darauf. Ja, ich kann sagen, dass ich eigentlich bloß esse um rauchen zu können.

Text Das Medium Film hinkt der Literatur in punkto Raucherszenen natürlich keineswegs nach, im Gegenteil. Herausgeberin Jekoff behauptet gar, dass Erotik und Rauchen im Film häufig bewusst verquickt werden und illustriert dies am Beispiel des Erotikthrillers "Basic Instinct". Der Disput um eine Zigarette zwischen Michael Douglas alias Detective Nick und Sharon Stone, die im Film eine mordverdächtige Schriftstellerin spielt, mutiert zur Werbung um Sex.

aus Hörbuch / Track 4:
Sie: Haben Sie eine Zigarette? Er: Ich rauche nicht.
Sie: Doch, natürlich! Er: Habe aufgehört.
Sie: Na, herzlichen Glückwunsch.
Sie zündet sich eine von ihren eigenen Zigaretten an und fängt im Rückspiegel seinen begehrlichen Blick auf, der sowohl ihr als auch der Zigarette gelten kann.
Sie: Möchten Sie eine?
Er: Ich sage doch, ich habe aufgehört.
Sie: Halten Sie nicht durch.


Sie behält Recht, Nick wird rückfällig. Schade nur, dass dem Hörer hier nicht der tatsächliche Filmausschnitt präsentiert wird. Stattdessen liest Stephan Benson die Szene mit verteilten Rollen und übernimmt sowohl die Stimme von Sharon Stone als auch von Detective Nick. Auch die Darstellungen von anderen Filmszenen, zum Beispiel aus dem Klassiker Casablanca, kommen dadurch irgendwie trocken daher. Der Hörer, wenn er denn raucht, wird sich weitgehend mit der Autorin identifizieren, die mit ihm den Genuss des Rauchens teilt. Außerdem mindert sie mit ihrem Angebot prominenter Raucher und Raucherszenen bestimmt auch das schlechte Gewissen gegenüber der eigenen Gesundheit. Nach dem Motto: Fast alle Künstler rauchen, und wer es nicht tut, der ist eben kein richtiger Genießer. Freilich gibt es Bücher und Zeitschriften zuhauf, die auf die Gefahren des Nikotins hinweisen. Doch Christa Jekoff führt die Ironie eines stattlichen Mannes aus der jüngsten Zeitgeschichte dagegen ins Feld:

aus Hörbuch / Track 1:
Es ist wohl tatsächlich so wie Winston Churchill, unter anderem berühmt für sein hohes Alter, seine Leidenschaft für Zigarren und seine Abneigung gegen Sport, sagte: dass ein leidenschaftlicher Raucher, der immer wieder über die Gefahren des Rauchens liest, schließlich aufhört - zu lesen.

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