aus: Geschichte des Rauchens von Egon Caesar Conte Corti

Nicht immer wurde das Tabakrauchen so verteufelt, wie heutzutage. Gegen die Pest galt es als das einzige Mittel. Hier der Bericht eines holländischen Arztes von 1636:

"Wie das Volk", schrieb er, "sonst auf die Großen sieht, um sich nach ihnen zu richten, so blickte es zur Zeit der Pest auf die Ärzte, um von ihnen zu lernen, wie sie sich inmitten der Gefahr vor Ansteckung bewahren können. Im Verlaufe des Tages nach jeder Mahlzeit rauchte ich. Sobald mir die Ausdünstungen der Kranken unerträglich wurden, ließ ich augenblicklich alles liegen und rauchte Tabak. Der Tabak ist das wirksamste Mittel gegen die Pest, doch muß das Blatt von guter Beschaffenheit sein. Ich habe viel davon verbraucht. – Eines Tages, als ich zu einem Kranken kam, fiel mir der Pestdampf auf die Brust, und ich fühlte alle Anzeichen der Ansteckung: Schwindel, Ekel, Angst. Ich machte daher den Besuch kurz ab und eilte nach Hause, wo ich sechs bis sieben Pfeifen rauchte. Ich fühlte mich bald hergestellt, so daß ich noch an demselben Tage ausgehen konnte. Diese Anfälle sind mir während der ganzen Pestzeit noch mehrere Male begegnet; durch das Tabakrauchen aber verschwanden sie ebenso schnell wie das erstemal. Nur einmal, als ich ein pestkrankes Ehepaar besuchte, säumte ich mit dem bewährten Gegenmittel zu lange und geriet in nicht geringe Gefahr. Ich rauchte zwar einige Pfeifen, doch wurde mir so schlecht, daß ich mich wieder hinlegen mußte und in Betäubung verfiel. Nach einigen Stunden weckte mich mein Diener, da eine Menge Kranke Beistand verlangten. Ich stand zwar auf, konnte jedoch mit Hilfe des Dieners nur bis zum Kamin gelangen, wo die Pfeife lag. Ich rauchte wieder und war wie auf einen Schlag frisch. Mir und vielen anderen Leuten hat bei Pestanfällen das Tabakrauchen jedesmal große Dienste geleistet."

Und weiter berichtet Conte Corti: Besonders die großen Städte wurden von der Krankheit schauerlich heimgesucht, so im Juni 1665 London. Die Ärzte standen dem furchtbaren Sterben machtlos gegenüber. Um aber doch etwas zu tun, empfahlen sie vornehmlich, die Tabakpflanze zu riechen und zu kauen oder auch ununterbrochen zu rauchen. Die in Eton studierenden Knaben mußten jeden Morgen als Vorbeugungsmaßregel rauchen. Insbesondere jene Leute, die um die Pflege der Erkrankten bemüht waren oder die die Leichen der Opfer auf Karren aus der Stadt zu schleppen hatten, rauchten ununterbrochen, um sich vor der Ansteckung zu schützen. Die Ärzte, darunter auch der zu jener Zeit berühmte Richard Barker, empfahlen den Tabak wärmstens, weil er und andere bemerkt haben wollten, daß bei früheren Heimsuchungen die Tabakverkäufer in Tabakgeschäften verschont geblieben waren. Ein Zeitgenosse, Samuel Pepys, gibt uns in seinem Tagebuch eine Bestätigung dieser Vorgänge. In der Zeit der Pestplage, am 7. Juni 1665, einem furchtbar heißen Tage, mußte er gegen seinen Willen Geschäfte halber dringend durch Drury Lane im Londoner Westend gehen und sah an zwei oder drei Häusern, in denen die Pest reiche Ernte gehalten hatte, große rote Kreuze an den Toren und die Inschrift: "Herr, Gott, erbarme dich unser!" Diese Zeichen sollten davor warnen, solche Häuser zu betreten. Samuel Pepys schildert nun, wie er sich beim Anblick dieser Kreuze plötzlich unwohl fühlte und sich eiligst eine Rolle Tabak kaufte, um daran zu riechen und zu kauen. Als er es getan, schwand jedes Unwohlsein, er verlor die Furcht und kehrte heil zurück.
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