F.A.Z., 03. Mai 2006

Jetzt rauchen sie wieder
Die Verbote in Spanien nützen wenig / Von Leo Wieland

MADRID, 2. Mai. Ein Vierteljahr nach den Verboten und Einschränkungen rauchen die Spanier wieder soviel wie zuvor. Wurden im Dezember, in dem letzten "freien" Raucher-monat, noch 369 Millionen Schachteln verkauft, so waren es im März wieder 365 Millionen. In dem gleichen Zeitraum, in dem der Tabak-konsum zunächst um bis zu siebzehn Prozent gesunken war, hatte sich parallel der Verkauf von Nikotinpflastern und anderen Entzugs-hilfemitteln vervielfacht. Auch dieser Markt ist nun eingebrochen. Die Apotheken melden für diesen Frühling einen Rückgang der"Antirauch-pharmazeutika" um mehr als die Hälfte.
Hat also das neue Gesetz zum Schutz der Nichtraucher vor dem Passivrauchen nichts genützt? Am Arbeitsplatz schon, am Tresen nicht. Das generelle Rauchverbot in den Büros wird weitgehend beachtet. Die Arbeitgeber dulden, daß die meisten Raucher zu Zigarettenpausen auf die Straße gehen, und nehmen es nach jüngsten Erhebungen in Kauf, daß etwa jeder zehnte auf der Toilette qualmt, Auch in den Krankenhäusern, den Museen und Theatern werden die Rauchverbote überwiegend respektiert. In öffentlichen Verkehrsmitteln, von den Metroschächten bis zu den Flughäfen, muß nach Beobachtungen der Verwalter aber noch ein Viertel der Passagiere besser auf das Verbot eingestimmt werden.
In den Bars und Diskotheken beherrschen die Raucher weiterhin das Feld, und in den Restau-rants herrscht ein ziemliches Durcheinander. Nur Lokale mit mehr als hundert Quadratmeter Fläche sind durch das neue Gesetz gehalten, separate Nichtraucherzonen zu schaffen und dort - die Frist reicht bis September - auch eine separate Ventilation einzurichten. In kleineren Etablissements können die Eigentümer entscheiden, was sie erlauben wollen und was nicht. Das Ergebnis ist, daß mehr als neunzig Prozent aller Gaststätten in dieser Kategorie das Rauchen gestatten. In den größeren Lokalen pflegen die Kellner wegzuschauen, wenn nach dem Mittagsmahl die Zigarrenfreunde mit der Havanna in der Hand durch die "Nichtraucherzone" wandern. Die Klagen der Nichtraucher füllen zwar die Leserbriefspalten der Zeitungen - dies aber ziemlich folgenlos. Ausgestanden scheinen für die Tabakhersteller
und das Finanzministerium auch die Preiskriege der ersten Verbotswochen. Bei dem Versuch, ihre Marktanteile zu halten, senkten einige Unternehmen die Preise für Billigmarken auf bis zu 1,50 Euro pro Schachtel. Die Regierung reagierte, indem sie die Mindeststeuer auf 1,10 Euro erhöhte. Inzwischen wurden die meisten Billigmarken wieder vom Markt genommen, und auch die Einnahmen des Staates aus dem Tabakverkauf (rund acht Milliarden Euro im Jahr) sind wieder stabil.
Jeder dritte erwachsene Spanier raucht und wählt. So sind die Parteien, die das Rauchver-botsgesetz in den Cortes verabschiedet haben, "sensibilisieren", Eigentlich galten die oppo-sitionellen Konservativen von der Volkspartei als "raucherfreundlicher" als die regierenden Sozialisten. Dann kam aber die Nachricht aus dem Moncloa-Palast, daß auch Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero am Arbeitsplatz beim Rauchen ertappt worden sei - so gab auch er ein Laisser-faire-Signal. Einen zunehmend schweren Stand hat Gesundheitsministerin Elena Salgado, die eigentlich auf eine von ihr erwartete geschrumpfte Raucherbasis ein paar zusätzliche Restriktionen für Gaststätten gründen wollte. Das dürfte nach dem gegenwärtigen öffentlichen Meinungsbild nicht leicht durchzusetzen sein. Sogar ein Viertel der Nichtraucher empfindet schon die bestehenden Verbote als strikt. Das schlechte Gewissen der Nichtraucher drückt sich zum Beispiel darin aus, daß zwei Drittel es trotz aller Einbußen für die Arbeitgeber für "gerecht" halten, daß die Raucher sich regelmäßige Zigarettenpausen gönnen.
Die absolute Mehrheit der rauchenden Arbeiter und Angestellten haben nach über-wiegend fruchtlosen Versuchen, ihren Konsum einzuschränken, die Demoskopen wissen lassen, daß sie das Rauchen auf der Straße sogar einer bezahlten Entziehungskur vorziehen. Und die Ministerin Salgado, die sich als Pionierin der Volksgesundheit gefühlt hatte, mußte sich von Alvaro Garrido, dem Vorsitzenden des "Klubs der Raucher für Toleranz", mit dem Großinquisitor Torquemada vergleichen lassen. Garrido hatte allerdings noch einen anderen Sündenbock für die Einschränkung seiner Freiheit als Raucher in petto - nämlich "den Fundamentalismus, der aus den Vereinigten Staaten kommt".

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