Christa Jekoff
Schriftstellerin
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Trikolor - oder Wenn Katzen lieben
Ich wollte Katzen - das war der einzige Grund für mich, aufs Land zu ziehen. Natürlich kann man Katzen auch in einer Stadtwohnung halten, doch meine Katzen sollten durch hohes Gras streifen und in Baumkronen klettern können, sich auf sonnenwarmer Erde aalen und Mäuse fangen. Wenn man eine Katze in freier Wildbahn erlebt hat, dann wird jede Wohnung zum Käfig.

Schon lange bevor wir ein Haus auf dem Land kauften, hatte ich alles ganz genau geplant: ich würde sofort nach dem Umzug die Zeitung aufschlagen und nach einer Anzeige Kleine Katzen abzugeben Ausschau halten. Doch wie immer im Leben, wenn man es mit Katzen zu tun bekommt, wird jede Planung zur Farce: Der Mensch denkt, die Katze lenkt ...

Zu dem Haus, für das wir uns entschieden, gehörte ein zwei Jahre alter roter Kater, den seine Leute nicht mitnehmen konnten. Er blinzelte uns verschlafen aus seinem Körbchen an, und natürlich sagten wir ja. Als wir das nächste Mal kamen, lag Nicki, so hieß unser Adoptivkater, wieder in seinem Körbchen. Doch diesmal blickte er uns aus seinen bernsteinfarbenen Augen völlig verstört entgegen. Dieser Katzenkorb war der einzige Gegenstand, den die Vorbesitzer zurückgelassen hatten. Ich habe nie etwas Anrührenderes gesehen als diesen verlassenen Kater in dem leeren Haus.

Während der nächsten Wochen erledigten wir, bevor wir einziehen konnten, die dringendsten Renovierungsarbeiten. Natürlich verbrachten wir soviel Zeit wie möglich mit Nicki, fütterten ihn mit seinem Lieblingsfutter, brachten ihm jeden Tag frisches Tartar mit und ein Stückchen Fleischwurst, seine Leibspeise. Es war jeden Tag das gleiche Bild: Obwohl es Frühling war und er das Haus verlassen und wieder hereinkommen konnte, wann immer er wollte, lag er stets in dem Korb und starrte auf die Tür, um die Rückkehr seiner Leute nicht zu verpassen. Nur langsam wich die anfängliche Verstörtheit in seinem Blick einer großen Traurigkeit, so als hätte er begriffen, daß sie nicht mehr kommen würden. Wenn Katzen lieben, lieben sie ganz.

Und eines Tages, es war kurz vor unserem Umzug, schauten wir in vier Augen: die beiden schon vertrauten bernsteinfarbenen und zwei grüne, kunstvoll umrandet wie von einem Kohl Kajal-Stift. Sie gehörten einer schwarz-weißen Katzendame, mit der unser Kater sein Körbchen teilte. Nicki hatte getan, was alle Männer tun, die sich einsam fühlen - er hatte sich mit einer Freundin getröstet.

Nickis Freundin war herrenlos. Wir nannten sie Lulu, und von Stund an hatten wir zwei Katzen. Erleichtert stellten wir fest, daß Nicki anfing, sich wieder wie ein normaler Kater zu benehmen. Er verließ mit Lulu zusammen das Haus und genoß die Frühlingssonne. Pünktlich zu den Mahlzeiten stellten sich beide wieder ein, begrüßten uns, ergriffen nach und nach von allem Besitz, vom Inventar des Hauses, von uns ... Und wie alle Katzenbesitzer machten wir die Erfahrung, daß nicht sie uns, sondern wir ihnen gehörten. Wir waren jetzt ihre Menschen - eine große, sich stets zu vergegenwärtigende Ehre.

In den Wirren des Umzugs hatten wir uns keinerlei Gedanken über die Fortpflanzung von Katzen gemacht. Wie gesagt, es war Frühling, und nach einer gewissen Zeit - Katzen tragen drei Monate - war nicht mehr zu übersehen, daß die Zunahme des Leibesumfangs unserer Lulu nicht auf zu reichliches Futter, sondem auf baldigen Katzennachwuchs zurückzuführen war. Natürlich hielten wir Nicki für den Vater - bis wir zur Kenntnis nahmen, daß unser Kater kastriert und somit zeugungsunfähig war. Lulu hüllte sich, die Vaterschaft betreffend, in Schweigen, zumindest uns gegenüber, und Nicki trug den Zustand seiner Freundin sehr gelassen - bis auf den letzten Abend vor der Geburt der Kätzchen.

Es war ein warmer Juniabend. Wir saßen im Garten und grillten, um uns herum wie immer die Katzen in Erwartung, daß etwas für sie abfiel, als Nicki plötzlich heftige Aggressionen gegen seine hochschwangere Freundin entwickelte. Wir haben uns noch oft gefragt, was damals in diesem sonst so sanften Kater vorging. Zweifellos wußte er, was bevorstand. War er eifersüchtig? Ahnte er, daß er während der nächsten Monate bei der Katzenmutter abgeschrieben sein würde? Mehrfach versuchte er, die aufgrund ihres Umfangs schwerfällig gewordene Lulu zu verprügeln, so daß wir energisch einschreiten mußten. Nicki setzte sich daraufhin schmollend auf einen Gartenstuhl, und Lulu verschwand in der Dunkelheit. Am anderen Morgen, es war ein Sonntag, sahen wir eine schlanke Lulu aus der Werkstatt meines Mannes kommen. Wir hatten sie während der letzten Tage schon häufig diesen Raum inspizieren sehen, und mein Mann hatte wie zufällig (Katzen lassen sich ja bekanntlich keinen Platz zuweisen) einen Pullover in einem Karton liegen lassen. Als wir nun nachsehen gingen, entdeckten wir dort vier neugeborene Kätzchen. Eines von ihnen hatte wie auf wundersame Weise die Farben von Nicki und Lulu: Schwarz, Weiß, Rot.

Damals wußte ich noch nicht, daß schwarz-weiß-rote Katzen immer etwas ganz Besonderes sind und sich dadurch auszeichnen, daß bei ihnen alle Katzeneigenschaften ausgeprägter sind als bei anderen Katzen. Ich nahm dieses dreifarbige Katzenkind - noch mehr ein Maulwurf - in die Hand. Dich behalte ich, flüsterte ich ihm ins rote Öhrchen. Es war der Beginn einer großen Liebe, die achtzehn Jahre dauern sollte.
Nicki wurde übrigens ein liebvoller Katzenvater.

Fortsetzung folgt...

- das Buch ist schon geschrieben und soll als Hörbuch unter dem Titel "Katzen - Literarische Beutestücke für Tatzenfreunde" bei Hoffmann und Campe erscheinen.

Das Buch erzählt die Geschichte dieser Liebe, und ist eine Hommage an dieses schwarz-weiß-rote Kätzchen, das wir Alinchen nannten und das zu einer großen Katzenpersönlichkeit heranwächst, die sich durchaus mit den Katzen der Weltliteratur messen kann. Schön wie Colettes Saha, klug wie E.T.A. Hoffmanns Kater Murr, eigenwillig wie Raymond Chandlers Taki mischt sie sich auf leisen Pfoten unter die literarischen Katzengrößen. Ein Streifzug durch die Welt der Katzen, garniert mit Anekdoten, historischem und kulturellem Wissen - ein unterhaltsames Hörbuch für alle verliebten Katzennarren.


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